Deutsche Übersetzung zum englischen Originalartikel aus der Diskussion des Karl Jaspers Forums im Internet
(http://www.mcgill.ca/douglas/fdg/kjf/)
Original-Titel: KARL JASPERS FORUM TA24 Response 15 (to Walther's C21)
FORMING CLAY, NOT FISHING IN A POND by Herbert FJ Muller 6 July 2000, posted 18 July 2000

KARL JASPERS FORUM TA24

Antwort 15 (zu Walthers C21)
von Herbert FJ Muller 6. Juli 2000, versandt 18. Juli 2000

TON FORMEN, KEIN FISCHEN IM TEICH

[Die von Helmut Walther aus C21 stammenden Zitate wurden wegen der besseren Übersichtlichkeit in der Übersetzung dieses englischen Kommentars wiederum ins Deutsche kursiv gesetzt]

[0] ABSTRACT

Helmut Walthers Kommentar 21 zu TA24 ist wiederum eine sorgfältige Zusammenstellung von Fragen und Antworten, die sich hauptsächlich mit den Unterschieden zwischen seiner und meiner Auffassung befaßt. In dieser Antwort zitiere ich aus seinem Text in deutscher Sprache, weil die englische Zitat-Einführung von meiner Seite her an dieser Stelle nur unerwünschte Probleme schaffen könnte statt in dieser sensiblen Angelegenheit zu helfen. Ich hoffe, daß der Leser im Notfall ein Lexikon zur Hand hat.

Es bestehen einige Schwierigkeiten in der Kommunikation zwischen HW und mir, und sie scheinen im Unterschied des jeweiligen Ausgangspunkts zu liegen. Es ist klar, daß er bei dem, worüber er schreibt, trotz mancher Zweifel und Modifikationen einen traditionellen GUW-Glauben als seine Basis benutzt, während ich von der Vermutung ausgehe, daß es keinerlei GUW-Strukturen gebe. Seine GUW-Basis hält sich durch, wie es scheint, als Ergebnis seines Versuchs, die eine Art von statischer Metaphysik abzuschaffen, während er eine anderen behalten will. Aber wie ich früher erklärte, kann man anstatt dessen eine "Arbeits-Metaphysik" benutzen.– Ich kann hier nicht auf all seine Punkte eingehen, und jedenfalls ist es nicht wahrscheinlich, daß ein einzelner Antworttext die fundamentale Differenz der Sehweisen zu beheben vermag.

[1] "<2> ... Das Umgreifende ... leistet aber genau jene auch schon von Hegel geforderte Rahmenbildung eben gerade nicht . Eine "unstrukturierte Erfahrung" als gedachter (sic) Hintergrund zur Errichtung "geistiger Strukturen" (s. etwa R8[32]) ist ein Selbstwiderspruch – jede Erfahrung ist strukturiert, oder es ist keine solche. Dies der Grund, warum ich mich zur Beibehaltung dieses Begriffes des "Umgreifenden" genötigt sah, ihn ausschließlich als Grenze zu definieren."

[‘Gedacht’ in R8[32] ist eine Behauptung von HW, nicht von mir.– Die unstrukturierte Matrix ist evident kein strukturierter Rahmen; dies wäre ein Selbstwiderspruch. Religiöse Lehren versuchen derartiges zu besorgen (z.B. via Gott), und sie sind daher absurd (gemeint in einem analytisch-logischen Sinn, wie es bei Tertullian gesagt wurde). Dasselbe gilt für traditionelle statische positive Metaphysik. Diese Aussagen sind nicht in abschätziger Weise gemeint: Weil die normalen Menschen sich unwohl fühlen im Umgang mit einem unstrukturierten Zentrum, ist ihr Wunsch nach einem strukturierten Rahmen kräftig. Aber dieser Widerspruch spiegelt ein eingebautes strukturell-konzeptionelles Problem: Alle positiven existentiellen Behauptungen sind postuliert und können nicht bewiesen werden (einschließlich des "cogito ergo sum").– Wenn man von einem positiven prästrukturierten Hintergrund, wie Walther es tut, ausgeht, kann das Umgreifende ausschließlich als Grenze verstanden werden: Wenn man glaubt, GUW-Strukturen seien die Basis der Realität, so ist das Unstrukturierte sozusagen evident außerhalb der Grenze (oder außerhalb der Realität). (Hegel war ebenfalls ein GUW-Metaphysiker, obwohl er von der Phänomenologie ausging.) Dies ist ebenso klar bei HWs Bezeichnung der Metaphysik als "immanent":]

[2] "<3> ... Metaphysik wird von HM stets als GUW aufgefaßt, wohingegen ich sie als ein immanentes Phänomen definiere, parallel zum mythischen Denken des Verstandes. ... So stellen etwa die sogenannten Naturgesetze keine GUW dar, sondern metaphysische Arbeitshypothesen, die neue Möglichkeiten im Umgang mit dem Seienden eröffnen..."

[Die Gesetze, die wir im Umgang mit der Natur als hilfreich herausfinden, sind eine Illustration dafür, was ich "Arbeits-Metaphysik" nannte oder "als-ob-GUW". Der Begriff "immanent" bedarf der Diskussion, s. [4] unten.– Zu Anm.3 "Fuzzy-Logik": Die geistigen Strukturen, wie wir geschaffen haben, sind die einzigen Dinge, die wir genau kennen, in Übereinstimmung mit Vico ("verum factum est"), und ich denke, er hatte recht. Wir benutzen die genau bekannten Konzepte, einschließlich Zahlen, um unsere Erfahrung von uns selbst und von der Natur zu strukturieren. Beides können wir nur in Begriffen von bereits genutzten Konzepten kennen, und niemals vollständig, weil immer die umgreifende Erfahrung darüber hinaus möglich ist. In diesem Prozeß schaffen wir auch ein unwißbares Reich von ontologischer GUW oder ein Instrument der Arbeits-als-ob-GUW.]

[3] "Die vom Verstand konstruierten "Dinge" sind sicherlich Konstrukte, und zunächst wurde diesen Konstrukten viel Falsches zugeschrieben – diese Dingauffassung von Welt durch den Menschen hat sich aber derart in der Realität bewährt, daß der Mensch auf dieser Basis selbst ganz neue "Dinge" hervorbringen konnte. Damit sind Dinge aber mehr als bloße Konstrukte, sie sind im Gegenteil sehr real, und insoweit gelangen Konstrukt und Realität zu einer hohen Deckung (wenn auch nicht zur Identität)."

Der Unterschied, den HW zwischen Konstrukten und Realität macht, ist m.E. fehlerhaft, und dies beruht wiederum auf seiner GUW-Sicht. Wie sein gerade gebrachtes Zitat beweist: "Realität" (und ebenso "Wahrheit") sind das Ergebnis eines Investments von Glauben an Formen, die wir schaffen, wenn sie sich als glaubhaft erweisen. Dies stimmt mit Jaspers überein. Aber sehr verständlicherweise fühlt man sich unbehaglich, wenn man sich "nur" für den Erschaffer von Konstrukten halten soll, und zieht lieber jenseitige Akteure vor, auch wenn es unmöglich ist, sie zu kennen.

[4] "... Aber unsere Begriffswelt, zunächst die des Verstandes, basiert ganz außerordentlich auf den instinktiven und emotionalen Vorsystemen. Der Geist schwebt nicht über den Wassern, sondern er bildet sich als weiteres Neuronalsystem aus, indem er sich der Emotio überlagert und mit deren Einzelsinnesdaten umgeht, diese verbindet und als Gesamt = Ding neu konditioniert, bewertet und benennt (= der Begriff). Hier ist keine Matrix, sondern ein sehr reales Gehirn in komplexer Zusammenarbeit seiner Vermögen."

Phänomenologie mit Physiologie zu vermischen erfordert spezielle Vorkehrungen. Dieser Trend ist auch evident in HWs Diagramm (und ebenso in den Illustrationen von Popper und Eccles, und in vielen anderen objektiven "wissenschaftlichen Untersuchungen des Bewußtseins", in der Erwartung, daß die subjektive Erfahrung irgendwie "auftaucht" aus den Objekten. Aber objektive Studien können allein zu objektiven, besser quantifizierenden, von Vorbedingungen abhängigen Korrelaten oder Produkten der Erfahrung führen). Wenn Physiologie und Phänomenologie miteinander diskutiert werden, sollte insbesondere festgelegt sein, wie diese Methode gemeint ist. Aber objektive Erfahrung selbst, ebensogut wie gefestigte "Selbst"-Strukturen, sind mit dem Denken ineins gebaut. d.h., innerhalb der subjektiven Erfahrung, und beide können die Erfahrung selbst nicht "erklären", die zuerst da ist.

Der verzwickte Umstand ist, daß wir (und jeder) ausschließlich ausgehen können von der subjektiven Erfahrung, die unvermeidlich zuerst kommt, vor jedem Wissen von Anatomie oder Physiologie, von Evolution, von Quantentheorie, von theologischen Lehren usw. Es ergeben sich konzeptionelle Probleme, wenn dieser Punkt nicht ausdrücklich in die Überlegung mit einbezogen wird. Speziell nötig ist dies beim Umgang mit Punkten wie: (a) wir können nur in Strukturen denken, in welchen auch immer (b) wir schaffen und postulieren uns selbst (eine Bootstrap-Operation ähnlich einem hochfahrenden Computer), und (c) wir nutzen die Grenzen ihrer Tragfähigkeit, die wir im Umgang mit ihnen herausfinden. Falls HW diesen letzten Fall unter "Immanenz" <3> versteht, stimme ich zu, aber nicht dann, wenn intendiert ist, auf etwas hinzuweisen, das von irgendwoher gegeben sei, von "dritter Seite", in vorgefertigter Form. Z.B. könnte man sagen, daß Selbst und Welt Strukturformationen innerhalb geschehender Erfahrung sind, aber nicht, daß eins von beiden identisch mit der Erfahrung selbst sei, und auch nicht, daß die Erfahrung werden (oder darauf reduziert werden) kann die eine oder anderen dieser Strukturen.]

Gleichzeitigkeit ist ein Mittel, um einen Begriff von Zusammengehörigkeit von subjektiven und objektiven Ereignissen zu erhalten. Z.B. kann man eine solche Verbindung erschließen von, sagen wir, "öffentlichen Berichten" meiner "privaten" Aktivität des Sehens, wie diese "in Gleichzeitigkeit" korreliert sind mit Ereignissen in der Retina, in subcorticalen und corticalen Arealen wie auch demonstriert "öffentlich" durch elektrophysiologische Aufnahmen oder verschiedene Typen von funktionellen Gehirnscans. Aber die "öffentliche" Gleichzeitigkeit der verschiedenen Ereignisse ("subjektiv veröffentlicht" gegen "öffentlich objektiv") ist das Nahestkommendste, was wir erhalten können. Die subjektiv geschehende Erfahrung bleibt unvermeidlich verschieden von den öffentlichen Ereignissen. Speziell der veröffentlichte subjektive Bericht ist nicht identisch mit der subjektiven geschehenden Erfahrung.]

[5] "<4> Um dies Tasten im metaphysisch Ungreifbaren zu vermeiden, wurde von mir dafür das Bild der Grenze gewählt parallel zur Raumvorstellung des sich erweiternden Alls, wo also das "Sein" vom Seienden her erweitert wird, wohingegen bei HM es das "Sein" ist – ganz parallel wie bei Heidegger."

[Ich glaube nicht an das "Sein", weder im Singular (to on) noch im Plural (Seiendheiten, entia), was Heideggers zentrales Konzept und der springende Punkt seines – ich denke verfehlten – Versuches war, eine Fundamentalontologie zu formulieren. Und z.B. ein Satz wie "entia non sunt multiplicanda propter necessitatem" ist leicht zu verstehen in einem konstruktivistischem Sinn, leichter sicherlich als in einem ontologischen: Was könnte annehmbarerweise gemeint sein mit dem "Vervielfachen von geistunabhängigen ontischen Seiendheiten"? – Zu Anm. 1: Ob das Umgreifende gesehen wird in religiöser oder anderer Form, ist m.E. eine zweitrangige Frage; der Punkt ist, daß es nicht strukturiert ist, und das macht es, daß es in keiner "Ontologie" ausgedrückt werden kann; s.a. oben Tertullian [1].]

[6] "... bei dem bereits die "Sprache die Lichtung des Seins" ist –, von dem her dem Seienden als "Quelle" die Möglichkeit neuer Formung quasi geschenkt wird ebenso wie auch die Möglichkeit religiöser Erfahrung (R8,[17]). Für mich ist das nach wie vor projizierende Metaphysik, ob man den "Grund des Seins" nun "Gott" oder das "Umgreifende" nennt – in beiden Fällen wird die Ursache nicht innerhalb und aus dem Seienden heraus gesehen, sondern (bei Jaspers wortwörtlich) "jenseits" alles im Seienden Bekannten verlegt – in TA24 sind die Begriffe jene "Angeln", mit denen in jenem "Feld der Leere" gefischt wird.

Sprache hilft beim Strukturieren, Stabiliseren und Erweitern der Erfahrung, kann aber ebenso verdunkeln. Die Fischer-Metapher paßt eher auf HWs GUW-Orientierung, und bezeugt die Zähigkeit, die gewaltige wiederkehrende Qualität von GUW. Ohne GUW ist das Umgreifende kein Reservoir von vorgeformten Entitäten, sondern eine unstrukturierte Matrix (ungeformter Ton, wenn man konkrete Bilder mag – die unvermeidlich ein wenig ungenau sind), von der aus oder in der Formen gebildet werden können. Begriffe sind keine Angelruten, um präexistente Entitäten zu finden wie einen Fisch oder alte Bierkrüge, sondern unterschiedliche tonartige Figuren, von uns geformt, übergehend in reale Entitäten, wenn sie denn glaubwürdig genug befunden werden, daß man Realitätsglauben in sie investieren sollte.

[7] "<5> ... verweigert TA24 und R8 die weitere Rückverfolgung von Sprache und Begriffen, vielmehr wird dies als "sekundäre Psychologisierung" abgelehnt (R8[29]). Damit wird der "Erfahrung in Begriffen" und wohl auch den Begriffen selbst eine ganz ähnliche Apriorität und Unableitbarkeit zugesprochen wie bei Heidegger."

[Ich sagte nicht, daß phylogenetische Überlegungen abzulehnen seien. Aber sie sind – genauso wie Physiologie, Sprache oder KI – innerhalb der Erfahrung geschaffene Instrumente. Sie können die Erfahrung nicht ersetzen. Sie sind Werkzeuge und Methoden, um mit objektiven (oder um es klarer zu machen, objektivierten) Daten umzugehen, und geschehende subjektive kann nicht umschlagen in objektive Erfahrung. Sie ist primär und kann nicht auf objektive Funde reduziert oder durch sie ersetzt werden. HW scheint im Gegensatz dazu anzunehmen, daß dies ginge (s.a. [4] oben, unter Vermeidung einer Vermischung von Phänomenologie und Physiologie). Im Gegensatz dazu sind Begriffe unsere Schöpfungen innerhalb der Erfahrung, keine primären oder apriorischen Entitäten].

[8] "<6> ... Damasio ... wendet sich gegen eine 0D-Auffassung, wie sie von TA24 propagiert wird, sondern spricht sich für die in C11 befürwortete Filter-Theorie aus: "Die Rolle der Intuition im Gesamtprozeß der Entscheidungsfindung beleuchtet ein Abschnitt aus einem Aufsatz des Mathematikers Henri Poincaré, dessen Erkenntnisse sich mit meinen Vorstellungen decken: ‘Erfinden heißt wählen. Doch das Wort trifft die Sache vielleicht nicht ganz genau. ... Hier wären die Objekte, die zur Wahl stünden, so zahlreich, daß ein ganzes Leben nicht ausreichte, sie zu prüfen. Das tatsächliche Geschehen läuft ganz anders ab. Die unergiebigen Verbindungen dringen noch nicht einmal ins Bewußtsein des Erfinders. Nie tauchen in seinem Bewußtseinshorizont Verbindungen auf, die nicht auch wirklich nützlich sind, ausgenommen einige Kombinationen, die er verwirft, die aber in gewissem Maße die Merkmale nützlicher Verbindungen tragen. Alles vollzieht sich so, als wäre der Erfinder ein Prüfer im Abschlußexamen, der nur die Kandidaten befragt, die schon eine Vorprüfung abgelegt haben.’"

In diesem Zitat scheinen Damasio und Poincaré traditionelle Metaphysiker gleich Walther zu sein, die eine geistunabhängige Realität nicht anzweifeln. Aber der Prozeß des Findens und Wählens, den Poincaré beschreibt, ist völlig kompatibel mit 0D. Viele "kandidierende Formationen" werden sofort zurückgewiesen, einige, bevor sie ins volle Bewußtsein treten. Die Differenz besteht in "Begriff herstellen" kontra "Begriff finden", und diese Frage hat eine düstere Geschichte in der Mathematik, so weit ich weiß.– Abzuklären: Ich benutze 0D nicht als Synonym für den umgreifenden Ursprung, sondern als Begriff für den PROZESS der geistig-strukturellen Formation aus dem oder innerhalb des unstrukturierten Umgreifenden.

[9] "Insbesondere ist es nicht der Begriffsgebrauch, auf dem "das allgegenwärtige Vorkommen von GUW-Glauben" fußt (R8 [4]), sondern die Begriffsverbindung und die mittels der jeweiligen Vermögen unterstellte Kausalität. Über einen Begriffsgebrauch in rudimentärem Sinne verfügen bereits viele höhere Tierarten, die sich damit etwa vor ganz konkreten und über Laute vermittelten Gefahren warnen. Etwas ganz anderes, und das macht erst die Sprache als solche aus, ist die Feststellung von Sachverhalten als Sachverhältnissen."

[Dies ist eine traditionelle GUW-Formulierung, wie "die Welt ist alles was der Fall ist" – der erste Satz in Wittgensteins "Logisch-Philosophischer Abhandlung" hat mir immer einen nebulösen Eindruck gemacht (bitte sehr, wer entscheidet, was ist und was ist nicht der Fall, und wie?) Nein, wir formen die Welt. Wir erfinden nicht, und wir erfinden Erfahrung nicht als ein Ganzes, aber wir haben all die Strukturierung herzustellen – zugegeben, dies ist eine etwas subtile Unterscheidung, um sich daran zu erinnern. Die Festlegung der Objekt-Beziehungen ist gerade so ein nützliches Werkzeug, das brauchbar ist als Maß, damit wir die Grenzen von dessen Nutzbarkeit kennen. (Wittgenstein änderte seine Sicht später.) Sprache ist wichtig für unsere Strukturierung, Etikettierung und Befestigung von Begriffen. Die in meinen Augen fehlerhafte Bezeichnung von geistunabhängigen "Sachverhalten" führt zu HWs weiterer Behauptung, die ebenso auf seine GUW-Position weist:]

[10] "Als Dingrepräsentation und Dingverbindung ist Sprache das Mittel zum hinterherhinkenden Nachbau der Realität im und als Bewußtsein. Alles, was dabei den durch Begriffe repräsentierten Dingen als "Ding" wie an "Verbindungen" zugemessen wird, entstammt nicht dem Begriff selbst, sondern den den Verstand basierenden Vorvermögen, also der nichtbewußten Interpretationstätigkeit des Gehirns sowie der Emotio – der Begriff ist lediglich das Etikett, durch das mit dem damit repräsentierten "Ding-" und "Verbindungsgehalt" auf der Ratio-Ebene umgegangen werden kann. Die "Zähigkeit" der fehlerhaften Metaphysik stammt dabei nicht aus den Begriffen selbst, sondern aus falschen Begriffsverbindungen; dies kann in zweierlei Weise geschehen:

a) fehlerhafte Sachverhalts-Verknüpfungen und bewertungen durch die den Verstand basierende Vermögen (Rezeptionsphase von Verstand oder Vernunft) b) fehlerhafte Verknüpfungen durch Verstand oder Vernunft selbst (Reflexionsphase)."

[Objekt-"Repräsentation" beinhaltet traditionelle GUW; die Bezeichnung ist völlig abhängig von GUW-Glauben, weil ansonsten nichts repräsentiert werden kann. Und wie wir seit Platon wissen, ist GUW nicht möglich weder mittels Repräsentation (trotzdem sprach Platon über Schatten auf der Mauer, was die Frage verdunkelt) noch irgendwie sonst. Anstatt dessen stellen wir als-ob-GUW auf. In 0D drückt die "Objekt-Verbindung" einfach eine Prozedur aus, welche notwendig wird auf Grund unseres Isolierens, zu praktischen Zwecken, für bestimmte Teile der und in der Erfahrung als "Objekte", usw. Aber die von uns kreierten und "definierten" Objekte verbleiben innerhalb überall (umgreifender) Erfahrung und sind nicht völlig isoliert von anderen Objekten. Wenn wir sie auf diese Weise isoliert haben, müssen wir sie wieder zurück in einen Zusammenhang bringen in "Zeit" und "Raum", über "Kausalität" und verschiedene andere Zuordnungen, und auch all dies sind unsere eigenen Struktur-Formationen. Irrtümer während der Wiederverbindung können begegnen, wenn die Isolation zu weitreichend war. (Aber die Irrtümer nach Typ a) und b), wie von HW beschrieben, sind für mich nicht fundamental verschieden zu jedem anderen, und es sind nicht seine verschiedenen Typen von Metaphysik.) Wie HW schreibt, rührt die Verbindung zwischen Begriffen nicht aus isolierten Begriffen selbst her; diese stammt vielmehr aus ihrer gemeinsamen Matrix der unstrukturierten Erfahrung.

[11] "Das interpretierende Ermitteln von Sachverhalten in der Realität durch Verstand und Vernunft ist mithin kein "Neuschaffen" innerhalb einer 0D-Möglichkeit, sondern zunächst der Versuch, die vorausliegende und eigene Kommunikation (das Bezugsverhalten) von Seiendem untereinander aufzudecken (Rezeption); die Selbstanwendung und Neubewertung innerhalb des damit rezipierten Repräsentationsbereiches schafft eine eigenständige Ebene und Werte; daß bei dieser Reflexionsarbeit selbst wieder ständig neue fehlerhafte Verknüpfungen statthaben, zeigt etwa recht gut die Reflexion der Vernunft selbst seit Descartes und die seitherigen verschiedenen "Systemversuche", welche die nämliche Vernunft gezwungen war, in ihrer eigenen Doppelreflexion im Wege der Verbindung ihrer eigenen Ergebnisse mit denen der Vorvermögen wieder abzukassieren ("Ende der Metaphysik")."

[HWs Auffassung ist in mancher Hinsicht Jan Holmgrens "Aufdeckung" ähnlich, eine andere neue Form von GUW-Glauben (s. TA1-C1924 &R14-18, TA22-C7&R5, TA24-C18). "Aufzudecken das vorexistierende Bezugsverhalten von Seiendem (d.h. Dingen) untereinander; ... schafft eine unabhängige Ebene und Werte." Dies mag Irrtümer enthalten: Abgesehen vom Aufdeckungsaspekt stimme ich überein, aber paradoxerweise sagt HW auch, daß da kein Neuschaffen sei im 0D-Sinn. Das "Ende der Metaphysik" und das Versagen der metaphysischen Systeme sind. vermute ich, ein direktes Ergebnis der Unmöglichkeit von statischer Metaphysik oder GUW-Glaube, wohingegen Arbeitsmetaphysik (oder als-ob-GUW) für uns ein wichtiges Werkzeug bleibt. Es mag darauf hingewiesen sein, daß traditionelle Metaphysik (Ontologie) eine Totgeburt war, um damit zu beginnen, aber wegen des nie endenden Verlangens ist ihr immer wieder künstliches Leben eingehaucht worden. Vielleicht ist es jetzt an der Zeit zu realisieren, daß Metaphysik unser (als-ob-)Arbeitsmittel ist.]

[12] "<7> ... Die Begriffe der Subjekte strukturieren die Erfahrung, die Erfahrung hinwiederum umgreift das durch Begriffe Strukturierte; dies wurde von mir in Rezeption und Reflexion in Richtung auf Erkenntniskritik weiterübersetzt, um nicht in einem rein "geistigen" Raum stehenzubleiben, der dualismusgefährdet wäre, und um die neuronale und sonstige gehirnarchitektonische Basis der Begriffsbildung und -erweiterung mit ins Spiel zu bringen. Denn diese Begriffe tauchen nicht aus 0D oder aus einer "unstrukturierten Matrix" aus, sondern sie stammen aus einer bereits vorhandenen und komplex kommunizierenden Welt ohne Begrifflichkeit, die als Realität Vorbestand des begriffsbildenden Menschen ist und die ihn selbst in dem, was er neben seiner "Begrifflichkeit" vor allem und in der Hauptsache selbst ist, ausmacht. Dies wurde als "Welthaftigkeit" bezeichnet, die der Mensch vielfach in sich trägt, bevor er ans Begriffebilden geht. Diese "Welthaftigkeit" bezeichne ich auch als "erstarrte Hypothesen" des Seienden, die in ihrer Funktion ihre Tragfähigkeit erwiesen haben und so die Realität bis hin zum und einschließlich des Menschen ausmachen.

[S. [4] oben zu Physiologie und Phänomenologie].– Die Begriffe der Subjekte setzen den Glauben an eine primäre Subjekt-Objektspaltung voraus, d.i., eine dualistische Sicht. Die "Gefahr des Dualismus" und eines "rein geistigen Raums" kann verhütet werden, wenn man alles Wissen ansieht als herstammend aus der strukturierenden Erfahrung innerhalb der unstrukturierten und daher nicht in Subjekt/Objekt geteilten Geist-Natur. Dualismus ist automatisch im GUW-Glauben enthalten, er ist ausgeschlossen in 0D. Die "Welthaftigkeit, die die Menschen in sich tragen", ist nicht klar. Wenn dies meint, der Mensch kann die Welt strukturieren, stimme ich überein; dies würde übereinstimmen mit HWs Aspekt der "erstarrten Hypothesen des Seienden", aber in diesem Falle kann ich nicht sehen, was HW an 0D als falsch ansieht. Andererseits, wenn dies meint (und dies ist wahrscheinlicher), daß die Welt irgendwie vorfabriziert ist, innerhalb oder außerhalb eines Geistes, stimme ich nicht überein.]

[13] "<8> ... wird nichts aus "0D" gegriffen, sondern ganz im Gegenteil handelt es sich bei allen Bestandteilen dieses Ding-Identifikationsvorganges um bereits im Tierreich vorhandene Vermögen: Wahrnehmungsvorgang, sinnliche Interpretation der Wahrnehmungen einschließlich emotionaler Bewertung unterscheiden sich vom tierlich-"ungeistigen" Verfahren keineswegs. Was hier für die Arbeitsweise gesagt wird, gilt ganz ebenso für den materiellen Aufbau von höherem tierlichen und menschlichem Gehirn. (5) Neu und emergent hinzu tritt beim Menschen "nur" die Konditionierungsebene des Verstandes, in der die Vorwahrnehmungen und Vorinterpretationen "synästhetisch" verbunden und mit einem eigenen Begriff – daher die große Bedeutung der Sprache – belegt werden."

[Tiere strukturieren ihre eigene Welt in 0D-Weise, s. von Uexkuell und andere. Jede einfache chemische Rezeption involviert ein Geist/Natur-Strukturieren (s. TA24-R13[3]). Im Prinzip ist Sprache nicht erforderlich, um die Welt zu bauen, es ist eine zusätzliches Instrument für Menschen, erlaubt eine kraftvolle Differenzierung und eine große Ausdehnung der Reichweite. Aber dies ist ein Nebeneffekt, und kann so zu Schwierigkeiten führen, in die Sackgasse eines traditionellen GUW-Glaubens (s.a. die Diskussion zu Vico in [2] oben und Anm. 5 u. 6)].

[14] "... Den Begriffen selbst eine "erfahrungs-überschreitende Eigenschaft" zuzusprechen (R8[31]) erscheint selbst wieder eine dualismusgefährdete Auffassung zu sein (6) – Begriffe haben genau diejenigen Eigenschaften, die wir ihnen beilegen, und dies, wie gesehen, zum großen Teil unbewußt."

[M.E. kann kein Zweifel bestehen an der begriffsüberschreitenden Eigenschaft der Begriffe. dies ist beschrieben in TA24[53ff.]. Gerne wüßte ich HWs Grund der Nichtübereinstimmung. "Begriffe haben exakt diejenigen Eigenschaften, welche wie ihnen beilegen.": Das haben sie, aber ebenso unvermeidlich übersteigen sie jede partikuläre geschehende Erfahrung ("Stein" meint jeden möglichen Stein, nicht nur denjenigen, welchen ich gegenwärtig betrachte). Üblicherweise schreiben wir diese Eigenschaften nicht ausdrücklich und absichtlich zu. Vielmehr finden wir diese während des Gebrauchs heraus, und in der Tat neigen wir dazu, es zu vernachlässigen. Die Begriffs-Transzendenz der geschehenden Erfahrung ist ein eingebauter Aspekt der Begriffsfunktion, der Begriffsdynamik. Ich gehe davon aus, daß diese Begriffscharakteristik ein auslösender Grund für den Glauben an traditionelle Metaphysik ist, ebenso wie auch für die Möglichkeit einer Arbeitsmetaphysik. Ob Begriffe überlegt und unwillentlich gebraucht werden, ist ohne Bedeutung dafür. Warum sagt HW, dies würde einen Dualismus bewirken; ist die gemeint in dem Sinne, daß dadurch eine zusätzliche übergeordnete GUW-Welt eingeführt würde? Im Falle der "Ontologie" ist dies korrekt, aber Ontologie ist ein vermeidbarer Nebeneffekt, ein Artefakt.]

[15] "<9> Objektivität wird hier nicht verstanden als die Erkenntnis des "Dings an sich", sondern als die Annäherung und das möglichste zur Deckung-Bringen zwischen geistigem Konstrukt und realer Existenz von Dingen in ihrer dem Interpretationsvermögen vorausliegenden Kommunikation – dies der Grund, warum sich Interpretationen der Vernunft immer durch den Verstand, Interpretationen des Verstandes immer durch die Emotio überprüfen lassen müssen."

[Dies ist eine traditionelle GUW-Position, obwohl hier das "Ding an sich" negiert wird. Aber diese Folge ist eine unausweichliche Konsequenz dieser Auffassung, wenn man es durchdenkt, wie es Kant in seiner Kritik der Reinen Vernunft tat. Dies ist keine Frage von Interpretation oder Emotion, sondern begegnet früher: Während der Strukturtätigkeit und des Glaubens-Vorschusses. S. Anm. 7: Dies ist das nämliche Mißverständnis wie in [3] oben diskutiert.]

[16] "Die Sinne sind, wie sie sind, weil das sie Umgebende so ist, wie es ist – die Wirkungen des Umseienden haben das Vorhandensein von Sinnen erst ermöglicht; wie sollten die Sinne dann auf etwas anderes reagieren als auf jene realen Ursachen, die sie einst selbst hervorgebracht haben ?"

[Diese Problemstellung setzt bereits einen statischen GUW-Glauben voraus.]

[17] "Und wie hätten Interpretationsvermögen dieser Sinneswahrnehmungen in der evolutiven Selektion Bestand haben können, wenn sie nicht einen funktionierenden und förderlichen Konnex zu dieser Realität des Umseienden aufgewiesen hätten?"

[In 0D haben sich die geschaffenen Strukturen selbst zu beweisen, für da Individuum ebenso wie während der Evolution.]

[18] "TA24 scheint davon auszugehen, daß alle Dinge, die vor dem Erscheinen des Menschen liegen, belebte und unbelebte Natur, keinerlei Dinglichkeit besäßen, sondern diese erst vom Menschen zuerkannt erhielten (7)."

[Wir erfinden die Erfahrung nicht, aber wir führen alles Strukturieren durch. Geistunabhängige Dinglichkeit ist ein nützliches Konzept in vielen Situationen. Wenn wir von der präsenten geschehenden Erfahrung aus extrapolieren ("in Raum und Zeit", welche ebenso unsere eigenen Strukturen sind), gehen wir davon aus, daß diese Konzepte weiterhin von Nutzen sind. Die Dinglichkeit ergibt sich aus dem Glaubensvorschuß (d.i., außer man besteht auf GUW, d.h. auf Ontologie). Aber wir können einzig von der gegenwärtigen subjektiven Erfahrung ausgehen.]

[19] "... die Natur hat sich bis hin und vor dem Menschen bereits sehr erhebliche und komplexe Wirkungsbeziehungen zugelegt, in der Organisches und Anorganisches notwendig aufeinander bezogen sind, ob hier ein dingwahrnehmender Mensch ist oder nicht."

[Dies beschreibt eine GUW-Auffassung. HW bleibt ihr beständig treu, ebenso im folgenden Satz.]

"Objektivität" meint hier also das zur Deckung bringen der subjektiven Interpretation des Menschen mit dem realen Kommunikationsverhalten von Seiendem.

[20] "<10> Mystik: ... Auffassung HM’s ist, daß er mystische Erfahrungen insbesondere mit einem "nebelhaften oder benommenen Zustand" korreliert, mit "Inkubationsperioden" oder "Frustrationen".

[Dies ist ein Mißverstand. Was ich schrieb, ist, daß dies keine hilfreichen, manchmal gar abschätzige Begriffe sind in Verbindung mit der Mystik. Ich versuche nicht, für Mystik zu werben, aber ich habe die Sache aufgenommen, weil sie in früheren Diskussionen aufkam. Man sollte die mystische Erfahrung in ihren Funktionen zu verstehen suchen (ebenso wie es hilfreich ist, psychopathologische Zustände in bestimmtem Maße zu verstehen). Des weiteren ist mystisches Denken nicht wesentlich ein emotionaler Zustand, obwohl Emotionen eine Rolle spielen können. Später impliziert HW, daß die Subjekt-Objekt-Spaltung primär sei, und diese zu Übersteigen sei ein Fortschritt. Dies ist m.E. ein prinzipieller Irrtum, weil der einheitliche Zustand früher besteht (s. TA24-R13[2]). Aber seit jedermann sich üblicherweise im GUW-Zustand befindet, zurückgehend zu dem, was vorher ist, kann dies in der Praxis ein Fortschritt sein (s.a. [25] unten). Das "Ich" ist unsere Struktur, wie es Weltstrukturen ebenso sind.]

[21] "Und: ein solches Denken, das quasi einen "naiv freischwebend spaltungslosen" menschlichen Geist für möglich hält, ist zumindest stark dualismusgefährdet, weil es diesen Geist unverbunden und als "Eigenes" neben jene diesen Geist erst vorbegründenden Vermögen stellt."

[Hier stimmen wir nicht überein, was naiv ist. Für mich ist traditionelle GUW naiv, und naive GUW führt unvermeidlich in Geist-Natur-Dualismus, der vermieden werden kann, wenn man zur Kenntnis nimmt, daß Erfahrung am Ausgangspunkt nicht in verschiedene Abteilungen gespalten ist. Ein "freischwebender Geist" kann ausschließlich auf Basis einer Subjekt-Objekt-Spaltung angenommen werden, dies ist in 0D nicht möglich]

[22] "... Kein Wissenschaftler wird behaupten, er verdanke seine "Durchbrüche" einem solchen Fallenlassen ins Unbewußte; überhaupt wird man einen naiv-unwissenden Menschen wohl kaum mit einem Wissenschaftler vergleichen können (die Argumente HM’s scheinen sich hier also selbst zu widersprechen) – er wird bei seiner wissenschaftlichen Tätigkeit vielmehr höchsten Wert auf die Anwesenheit von Verstand und Vernunft legen; unverstanden ist für das Individuum hier nur, "woher" ihm der gelungene Durchbruch "gegeben" worden sei. . Im Gegensatz zur Meinung in TA24 und R8 sind solche Durchbrüche nach dieser Auffassung keinesfalls in irgendeinem "unstrukturierten Umgreifenden" möglich, sondern setzen jede Menge strukturiertes Wissen voraus, aus dessen Neukombination solche neuen Einsichten erst erwachsen können."

[Wichtige neue Ideen in der Wissenschaft und sonstwo stammen oft aus einer Kristallisation in einem unkonzentrierten Zustand, meist im Falle einer Distanz zur eigentlichen Aufgabe, etwa nachts oder in den Ferien. Dies ist m.E. in guter Übereinstimmung mit dem Nietzsche-Zitat in Anm. 8; er beschreibt eine augenblickliche Gewißheit und starke Gefühle – was m.E. (manchmal, aber nicht immer) ein Aspekt von solcher neuer Formschöpfung ist. (Diese starken Gefühle sagen augenscheinlich einiges über Nietzsches emotionale Struktur, unter anderen Dingen.) Die analytisch-intellektuellen Funktionen sind wichtig in einer späteren Phase, wenn die neuen Ideen sortiert werden in "vielversprechende" und "Ausschuß", und was dazwischenliegt. Durchbrüche setzen strukturiertes Wissen voraus, aber ihr wesentlicher Effekt ist das Schaffen einer neuen Struktur, wodurch einige alte ersetzt werden, die ihre Funktion verloren. Ein wohlbekanntes Beispiel ist die konstante Lichtgeschwindigkeit, welche die feste Zeit und Raum ersetzt.– Der Unterschied zwischen Spezialisten und Laien ist vielleicht weniger scharf als HW hier postuliert.]

[23] "Hier erscheint es aber völlig unnötig, zu mystischen Erklärungen zu greifen."

Neue Ideen sind nicht identisch mit Mystik. Ich versuchte zu zeigen, daß diese zwei Geisteszustände, kreatives Denken und Mystik, einige Merkmale und teilweise auch ihre Wurzel gemeinsam haben.]

[24] "Übergang vom Tier zum Menschen ... Ersteres kennt keine Subjekt-Objekt-Spaltung, weil es keinen reflektierenden Verstand besitzt; vielmehr kennen (höhere Säuge-)Tiere nur ein Empfindungsbewußtsein aus ihrer reflektierenden Emotio."

[Man könnte das noch mehr spezifizieren. Tieren fehlen die Möglichkeiten der Sprache ebenso wie die sich daraus ergebenden Komplikationen. Die erfahrungsübersteigende Eigenschaft der (Wort-)Begriffe führt zu GUW-Glauben (Metaphysik), d.i. zum Glauben an "Objekte" als erkennbar vom "Selbst", entweder als unhinterfragte GUW oder als Arbeitsmetaphysik. Begriffsinhalte können sogar so betrachtet werden, als hätten sie eine Art von Eigenleben, mit einer sich daraus ergebenden Entfernung von den Objekt(-Begriffen), und sogar vom Selbst(-Begriff), mittels geschehender Erfahrung. Weitere Ergebnisse ist das Jonglieren mit den Begriffen, und die Möglichkeit zur Reflexion und Selbstreflexion. Gefühl ist meiner Auffassung nach dabei nur eine Nebenfrage.

[25] "... der "Edle Pfad" Buddhas ... setzt aber voraus, daß dieses "Ich" und die Subjekt-Objekt-Spaltung zunächst einmal vorhanden sein muß."

[s. die Diskussion in [20] oben.]

--------------------------------- Herbert FJ Muller e-mail <hmller@po-box.mcgill.ca>

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